Parkende behindern Demonstranten

Ich will eigentlich schon seit längerer Zeit mal einen ausführlicheren Beitrag zum Thema „Verkehrswende“ auf dem Land schreiben; besonders im Hinblick auf eine gewisse „Betriebsblindheit“, die ich vor allem bei Großstädtern verorte. Leider wird die bundespolitische Verkehrsdebatte jedoch fast ausschließlich von den Verkehrsproblemen in deutschen Großstädten bestimmt. Probleme, die es auf dem Land oder in kleineren Städten in dieser Form und Schwere oftmals gar nicht gibt. So begegnete mir in vielen Foren oder auch Blogs auch immer wieder eine gewisse, ganz selbstverständliche großstädtische Arroganz, die meiner Ansicht nach überhaupt nicht gerechtfertigt ist; vor allem dann, wenn das Auto an sich verteufelt wird.

Auf dem Land ist man ohne Auto nämlich ziemlich aufgeschmissen, denn alles, was der Großstädter im Umkreis von 2 km an für ihn wichtiger „Infrastruktur“ vorfindet, ist auf dem Land oft im Umkreis von 25 km oder mehr gar nicht mehr vorhanden. In sehr vielen Dörfern nicht nur in der Pfalz gibt es überhaupt keine Einkaufsmöglichkeiten mehr; also kein Lädchen, kein Bäcker, kein Metzger, keine Kneipe. Auch Volksbanken / Raiffeisenbanken und Sparkassen, die es (wie auch kleine Postämter) während meiner Kindheit noch in wirklich fast jedem noch so kleinen Kuhkaff gab, verschwinden immer mehr von der Landkarte. Weil deren Personal sich lieber an den Finanzmärkten verzockt – so wie bspw. auch die Sparkasse Südwestpfalz während der „Finanzkrise“. Ausbaden dürfen das – wie im Neoliberalismus üblich – noch heute überwiegend nur die Mitarbeiter und die Bankkunden.

Jene Sparkasse Südwestpfalz beabsichtigt, eine nächste Runde in Sachen Filialschließungen auf dem Land einzuleiten. Siehe hierzu den Bericht vom Pfälzischen Merkur, wonach 9 der (nur noch) 20 verbliebenen Filialen demnächst geschlossen werden. In Heltersberg geht man sogar so weit, nicht einmal mehr einen Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker anzubieten. Schuld seien die Kunden, die ja immer mehr Onlinebanking betreiben würden. Das ist allerdings eine infame Behauptung – denn die Sparkasse hat bspw. auch mich bei der letzten, gewaltigen Gebührenerhöhung für Giro-Konten als Kunden verloren. Hier wurde einem das Online-Banking durch den Gebührenrahmen sogar förmlich aufgezwungen.

Jedenfalls gab es deshalb am 21. Februar vor der Zentrale der Sparkasse Südwestpfalz in der Pirmasenser Bahnhofstraße eine Demonstration mit 150 Bürgern aus den „Holzland-Gemeinden“ Heltersberg, Schmalenberg und Geiselberg. Der SWR hat hierüber berichtet. Diese sollen nun in Zukunft mehrere Kilometer weit fahren, um über einen Kredit zu verhandeln, ein Konto zu eröffnen, an Bargeld zu kommen oder Kontoauszüge abzuholen.

Anhand dieser Demonstration kann ich nun wiederum einen Bogen zu meinem Engagement gegen die permanente Duldung des Falschparkens im Falschparker-Paradies Pirmasens schlagen. Denn laut einem online leider nur angeteaserten Artikel der Rheinpfalz wurden die Demonstranten – wie sollte es in Pirmasens auch anders sein – von parkenden Fahrzeugen behindert. Die Pirmasenser Ordnungsbehörde ist sich auch hier einmal mehr nicht zu Schade, einen regelrechten Offenbarungseid zu leisten. Weil die Verkehrszeichen nicht rechtzeitig aufgestellt worden seien, hätte man wegen einer „Drei-Tages-Frist“ keine Möglichkeit gehabt, gegen die Falschparker vorzugehen.

Das jedoch ist nur die halbe Wahrheit, denn es bestand auf dem Seiten- bzw. Parkstreifen (man erkennt die dunkel gepflasterte Fläche auf diesem Foto aus dem o. g. SWR-Artikel) überhaupt kein Halteverbot. Hierzu eine e-mail an das Ordnungsamt:


(…) mit Interesse habe ich den Bericht in der Rheinpfalz zum äußerst kurzfristig angeordneten Halteverbot vor der Sparkassen-Zentrale in der Bahnhofstraße im Zuge der Demonstration gegen die Schließung von Filialen im Holzland gelesen.

Das Ordnungsamt hätte hier sehr wohl Abschleppen lassen können, wenn die Fahrzeuge erst vor den Augen der Ordnungskräfte dort geparkt wurden oder dies von Zeugen hätte bestätigt werden können. Die genannte, auf einem Urteil basierende und nicht unmittelbar der StVO entspringende „3-Tages-Frist“ gilt nämlich nur für Fahrzeuge, die über die gesamte Zeit dort stehen und deren Halter von der Aufstellung auch nicht anders hätten erfahren können. Das Ordnungsamt hätte also bspw. am Vorabend dort vorbeifahren, die Stelle fotografieren – und am nächsten Tag alle abschleppen lassen können, die gegen das Halteverbot verstießen.

Dies wiederum allerdings natürlich auch NUR unter der Voraussetzung, WENN Ihre Behörde das Halteverbot überhaupt auch auf dem Seiten- bzw. Parkstreifen verhängt hätte – denn ein Zeichen 283 (wie es in der Rheinpfalz abgebildet wurde) gilt bekanntlich nur für die Fahrbahn. Das Ordnungsamt hat somit auch das entsprechende, in der Anlage 2, lfd. Nr. 62.1 aufgeführte Zusatzeichen 1060-31 „vergessen“.

Die Fahrzeughalter, die ihre Fahrzeuge auf dem Seitenstreifen abgestellt haben, haben daher dort nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit begangen.


Die „Drei-Tages-Frist“ basiert auf dem Urteil 3 C 25.16 des BVerwG vom 24.05.2018. Schon im Leitsatz wird klar, dass dies nur für Fahrzeuge gilt, die bereits vor der Aufstellung der Halteverbotsschilder dort standen.

Aber da die Stadtverwaltung hier ja den Seiten- bzw. Parkstreifen gar nicht gesperrt hat, hätte sie gegen die Fahrzeughalter eh nix unternehmen können. Nun könnte man sich nicht nur aufgrund der verspäteten Aufstellung der (unvollständigen) Schilder die Frage stellen, ob das alles nur (die gewohnte) Unfähigkeit ist – oder evtl. auch Absicht dahinter stecken könnte!?


Siehe auch

Coronoia: De-Urbanisierung

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