Am Freitagabend drehte ich noch eine Rennradrunde mit der dicken Kamera im Rucksack. Zuerst dokumentierte ich den Abschnitt des Radwegs auf der ehemaligen Bahntrasse der Hornbachbahn, welcher – so die gegenwärtigen Pläne – auf seinem südlichsten Abschnitt zu Gunsten des „Hochwasserschutzes“ abgerissen werden soll. Nachdem ich die Fotos auf der Speicherkarte hatte, ging es, die blaue Schutzhaft am Ixheimer Kreisel ignorierend, einmal quer durch Zweibrücken, um den nächsten Schildbürgerstreich der nicht minder radverkehrsfeindlichen Verwaltung der kleinsten kreisfreien Stadt Deutschlands zu dokumentieren. Und zwar die neuen „Radfahrer absteigen“-Schilder an der K 3 in Richtung Contwig.
„Alte B 10“?
Etwas irritierend ist, wenn man sich einige Artikel im Pfälzischen Merkur zu diesem Thema durchliest (wie zum Beispiel jenen vom 16. Mai 2022), dass diese Verbindung von fast allen als „Alte B 10“ bezeichnet wird. Nun bin ich kein Zweibrücker und kann mich irren – aber die auf der Südseite des Schwarzbachtals gelegene Straße war meines Wissens und auch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nie als B 10 gewidmet. Die echte „alte B 10“ verläuft hingegen nachweislich auf der heutigen Trasse der L 471. Jene wurde Anfang der 80er Jahre zur Landesstraße abgestuft, nachdem die A 8 zwischen Zweibrücken und Pirmasens fertiggestellt wurde.
Nachtrag vom 26. April: Ich muss mich wohl korrigieren. Die K 3 war tatsächlich mal als B 10 gewidmet. Hier findet man auch historische Karten aus Rheinland-Pfalz. Besagter Abschnitt war wohl bis 1963 als B 10 gewidmet, ehe wohl um 1964 herum die B 10 auf die neu angelegte Route nördlich des Schwarzbachs verlegt wurde. Es handelt sich bei der K 3 also nicht um die „alte B 10“, sondern genau genommen um die „uralte B 10“.
Jedenfalls entschied im Februar der Zweibrücker Stadtrat, dass ihm die der Stadt Zweibrücken per Gesetz auferlegten Verkehrssicherungspflichten im Zuge der K 3 egal sind, denn er lehnte eine Sanierung kurzerhand ab. Diese Entscheidung empörte insbesondere viele Menschen in Contwig und der Verbandsgemeinde Zweibrücken-Land. Siehe hierzu auch den Artikel vom 4. Februar 2025. Im Rahmen der Debatte besteht allerdings nicht nur Verwirrung hinsichtlich der Tatsache, dass die „alte B 10“ noch nie über diese Straße verlief, sondern dass auch der über jene Kreisstraße 3 führende „Pirminius-Radweg“ kein „Radweg“, sondern eine Radroute ist. Aber egal.
Noch einmal Schwung in die Diskussion brachte rund zwei Wochen später ein Unfall eines Sattelzugs auf der echten „alten B 10“ (also der L 471) zwischen Contwig und Zweibrücken. Die marode Schlaglochpiste musste daher spontan als Umleitungsstrecke für die vollgesperrte L 471 herhalten. Siehe den Artikel vom 18. Februar 2025.
Am 10. April wurde in einem Paywall-Artikel der Rheinpfalz angekündigt, dass auf der K 3 bald eine Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h gilt und Radfahrer fortan abzusteigen hätten. Ich hatte (da ich den Beitrag nicht lesen konnte) einfach mal bei der Pressestelle der Stadt nachgefragt und sogar am selben Tage noch die folgende Antwort erhalten.
kurz zur Genese: Die CDU-Fraktion im Zweibrücker Stadtrat hatte im Rahmen der Haushaltsberatungen eine Streichung der Maßnahme zur Sanierung der K3 für den Haushalt 2025 beantragt. Dieser Antrag bekam eine Mehrheit. Die Förderung für die Sanierung der Straße wurde durch das Land jedoch positiv beschieden, weshalb die Stadt das Projekt zu einem späteren Zeitpunkt nochmals einbringen wird, um die Sanierung ggf. doch durchzuführen.
Das Stadtbauamt hat in der Vergangenheit immer wieder auf den schlechten Zustand dieser Straße hingewiesen und auch in Aussicht gestellt, dass weitere verkehrsbeschränkende Maßnahmen nötig werden könnten. Bei einer neuerlichen Prüfung bestätigte sich dies nun. Es wird eine Geschwindigkeitsreduktion für diesen Streckenabschnitt auf 20km/h geben, außerdem die Hinweisbeschilderungen „Straßenschäden“ und „Radfahrer absteigen“. Letzteres bedeutet bei einer Streckenlänge von ca. 1km eine faktische Streckensperrung für Radfahrer. Da es sich hier allerdings um ein Teilstück des Pirminiusradweges handelt, wird eine Umleitung eingerichtet. Diese wird, so der aktuelle Plan, über die Contwigerhangstraße führen.
Über diese Maßnahmen hatte die Stadtspitze in der vergangenen Sitzung des Bau- und Umweltausschusses am 08.04.2025 informiert.
Ich stellte daraufhin einen Antrag nach LTranspG, man möge mir doch bitte auch noch die verkehrsbehördliche Anordnung übermitteln. Jene erhielt ich dann am Mittwoch per e-mail. Jene stammt vom 10. April und ist adressiert an das „Amt 60“ der Stadt Zweibrücken als Baulastträger. Die Begründung lautet folgendermaßen.
Die Annweilerstraße wurde mit Gutachten vom 27 03 2025 im Abschnitt vom Bahnübergang Niederauerbach bis Ende der Gemarkung Zweibrücken als Risikostrecke eingestuft
Was ist eigentlich eine „Risikostrecke“?
Die zahlreichen Schäden verursachen einen permanenten Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht des Baulastträgers
Hoho. Das ist ja mal eine ordentliche Watschn an das Straßenbauamt bzw. an den keine Gelder locker machen wollenden Stadtrat!
Um etwaigen Versicherungstechnisch relevanten Ereignissen vorzubeugen, wird gemäß dem beigefügten Lageplan als Sofortmaßnahmen die Höchstgeschwindigkeit auf 20 km/h (VZ Nr. 274-20) beschränkt
Zusätzlich werden die Hinweistafeln „Straßenschäden“ (VZ Nr. 1007-34) und „Radfahrer absteigen“ (VZ Nr. 1012-32) angeordnet
(…)
Erfrischend ehrlich, oder? Weil man Angst hat, die Stadt Zweibrücken könne gegebenenfalls für die eklatante und jahrzehntelange Vernachlässigung ihrer u. a. im LStrG geregelten Verkehrssicherungspflichten ggf. in die Haftung genommen werden, „löst“ man das „Problem“ damit, indem man die Geschwindigkeit auf 20 km/h reduziert und Radfahrer zum absteigen auffordert.
Radfahrer absteigen
Wobei – das „Radfahrer absteigen“ ist ja gemäß Anordnung auch nur ein „Hinweis“? Muss ich „Hinweise“ überhaupt beachten? Es sei zu diesem Thema mal wieder ganz allgemein auf die uralte Seite von Bernd Sluka verwiesen, der dazu schon vor bald 20 Jahren alles Nötige geschrieben hat.
Bzgl. dieser Regelung könnte man aber ganz allgemein mal darüber sinnieren, warum die Stadt Zweibrücken dieses Zusatzzeichen hier überhaupt mit einem Zeichen 274 kombiniert hat? Was soll das bedeuten? Dass ich absteigen, aber auch nicht schneller als mit 20 km/h schieben darf? Oder darf ich nicht schneller als mit 20 km/h absteigen?
Man weiß es nicht. Ehrlicher und eindeutiger wäre es dann eigentlich doch gewesen, ein Zeichen 254 anzuordnen? Damit hätte man dasselbe (weiter darf man nur, wenn man absteigt und schiebt) wesentlich eindeutiger geregelt gehabt. In der Anlage zur BKatV gibt es ja mit der laufenden Nummer 141.4 auch einen einschlägigen Tatbestand. Aber so ein Verbotsschild wäre dann halt doch noch eine Nummer unverschämter als dieser „Hinweis“ gewesen; obendrein hätte man dann ja (eigentlich) auch noch eine StVO-Umleitung ausweisen müssen. Und ein eindeutiges Verkehrsverbot wäre meines Erachtens auch juristisch wesentlich leichter angreifbar.
Sei es drum. Ich habe selbstredend nicht geschoben.
Dokumentation
Wie sieht es dort nun aus? Wie oben bereits erwähnt, handelt es sich hier sogar um einen relativ seltenen Fall, bei welchem eine HBR-Route mal über eine (radwegfreie) klassifizierte Straße (die K 72 im Kreis Südwestpfalz und die K 3 in Zweibrücken) geführt wird. Das folgende Foto zeigt den HBR-Wegweiser-Pfosten an der Kreuzung K 3 / K 5 hinterm Bahnübergang.
Jene HBR-Route soll im Übrigen auch noch (also irgendwann) umgeleitet werden. So sieht sie jedenfalls aus, die Kraterpiste von Niederauerbach nach Contwig. Die übrigens erst im Juni 2023 von Google Streetview dokumentiert wurde.
Ja, Spaß macht das nicht, da drüber zu rumpeln. Mache ich mit dem Rennrad eigentlich auch nie; wenn, dann in aller Regel nur mit dem Mountainbike.
Man kann es aber fahren. Aus den Schlaglöchern heraus habe ich keine Hilferufe verschollener Radfahrer vernommen. Der nun (mittels temporärer Verkehrszeichenträger) neu beschilderte Abschnitt ist bis zur Kreisgrenze gut 900 m lang. Hier die Beschilderung aus der Gegenrichtung am Übergang von der K 72 im Kreis Südwestpfalz zur K 3 auf dem Gebiet der Stadt Zweibrücken.
Ich habe bei der Straßenverkehrsbehörde in Bezug zu deren Anordnung formlose Einwände erhoben und bin gespannt, ob und wie man auf jene eingehen wird. Ich werde auch noch etwas tiefer hinsichtlich der Frage recherchieren, ob ein Stadtrat überhaupt legitimiert ist, einem Baulastträger einer öffentlichen Straße mittels Abstimmung die notwendigen finanziellen Mittel vorzuenthalten.
Das Land hat der Stadt Zweibrücken nämlich – so eine Pressemeldung des MWVLW vom 8. April – eine Zuwendung in Höhe von 430.000 Euro zugesichert.
08.04.2025 | VERKEHR / STADT ZWEIBRÜCKEN
Schmitt: Rund 430.000 Euro für Ausbau der Kreisstraße K 3 in Zweibrücken
Für den Ausbau der Annweiler Straße K 3 in der Stadt Zweibrücken erhält die Stadt eine Zuwendung in Höhe von rund 430.000 Euro, wie Verkehrsministerin Daniela Schmitt mitgeteilt hat.
„Gut ausgebaute und sichere Straßen für die Region sind uns ein besonderes Anliegen“, begründete Schmitt die Förderung der Ausbaumaßnahmen. Sie kündigte an, dass der Landesbetrieb Mobilität (LBM) den förmlichen Bewilligungsbescheid in den nächsten Tagen versenden wird.
Die Annweiler Straße im Zuge der K 3 wird über eine Ausbaulänge von rund einem Kilometer instandgesetzt.
„Die Baumaßnahme trägt im Wesentlichen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit bei“, so die Verkehrsministerin.
Interessant ist auch der erst am 25. April (also gestern) erschienene Artikel im Pfälzischen Merkur zu genau diesem Thema. Der Name Evelin Hodek ist mir übrigens seit vielen Jahren bekannt; wir hatten uns vor einer halben Ewigkeit mal aufgrund sozialpolitischer Themen eine Weile per e-mail ausgetauscht. Sie hatte auch im Jahr 2019 im Beitrag zur Radweg-Einöd(e) in der Homburger Straße einen Kommentar hinterlassen. Ihrem Fazit zu dieser Beschilderung – „das ist ein Witz“ – kann ich auf jeden Fall nur zustimmen.