Der „Radweg“ an der K 6, der gar keiner ist

Als ich am 8. April die neueste Unverschämtheit meiner in jeglicher Hinsicht radverkehrsfeindlichen Heimatstadt dokumentierte, deutete ich bereits an, dass mir im Zusammenhang mit der Montage der bescheuerten „Radfahrer absteigen“ am freilaufenden Rechtsabbieger zur L 600 weitere Ungereimtheiten aufgefallen waren, die ich im Rahmen eines weiteren Beitrags erörtern würde. Leider tat die Stadtverwaltung einmal mehr das, was sie am besten kann: Nichts. Und auf Zeit spielen. Das galt vor allem für die Beantwortung mehrerer Rückfragen zu einer ungewohnt sachlichen und ausführlichen Auskunft des Sachgebietsleiters für Bauverwaltung und Umweltrecht im Pirmasenser Tiefbauamt vom 28. Februar 2025.

Doch kommen wir zuerst zur Anordnung (datierend vom 24. Oktober 2024) dieser absurden Zusatzzeichen durch die Straßenverkehrsbehörde der Stadt Pirmasens selbst. Jene Anordnung ließ ich mir im Rahmen eines LTranspG-Antrags übermitteln, was ausnahmsweise auch mal ohne die Einschaltung des LfDI funktionierte. Ich dokumentiere deren Inhalt im Folgenden vollständig.

Anordnung vom 24.10.24

Anbringen Zusatzzeichen an Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren“ für ‚Radfahrer an der Querung der L600

Umsetzung Entscheidung Verkehrsschau 2024

Auf Grund der §§ 44 Abs. 1 Satz 1 und 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO) in Verbindung mit § 3 der Landesverordnung über die Zuständigkeiten nach dem Straßenverkehrsgesetz der Straßenverkehrsordnung und der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom  12.3.1987 (GVBI. S. 46) in der derzeit gültigen Fassung erlässt die Stadtverwaltung Pirmasens als zuständige Straßenverkehrsbehörde folgende verkehrsrechtliche

ANORDNUNG:

An den beiden Verkehrszeichen „Vorfahrt gewähren“ auf dem Radweg zwischen Pirmasens und Winzeln an der Querung der L6OO wird das Zusatzzeichen „Radfahrer absteigen“ angebracht.

Begründung:

Da der Radweg vor der Einmündung zur L 600 wegen des zu großen Abstandes zur K 6 nicht mehr straßenbegleitend ist, müssen Radfahrer an der Querung der Zufahrt auf die L 600 Vorfahrt  gewähren, während sie an der Querung der von der L 600 kommenden Fahrbahn Vorfahrt haben. Die Problematik wurde in der Verkehrsschau 2024 betrachtet.

Nur die Entfernung der Rechtsabbiegespur auf die L600 wurde tatsächlich eine durchgängige Vorfahrtsregelung für den Radverkehr bewirken. Diese bauliche Maßnahme ist zum einen sehr kostenaufwendig und wäre auch nur unter Einbindung des LBM möglich.

Sie hat zudem zur Folge, dass dann eine „scharfe Kurve“ (90 Grad) zum Rechtsabbiegen vorläge (normale Einmündung). Dies würde den Verkehrsfluss des von Pirmasens in Fahrtrichtung L 600 kommenden Fahrverkehrs stark behindern. Möglich wäre noch eine komplette bauliche Umgestaltung des Knotenpunktes mit einem entsprechend hohen Kostenaufwand.

Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf die Belange aller Verkehrsteilnehmer entsprechend ihrer Bedeutung und Aufkommen wird von der Kommission ohne weitere belastbare Zahlen keine akute Notwendigkeit einer Änderung gesehen. Als mögliche Maßnahme soll nach der Entscheidung der Kommission zunächst an den Schildern Vorfahrt Gewähren“ ein Zusatzschild „Radfahrer absteigen“ angebracht werden.

Die Anordnung wird mit Aufstellung der Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen wirksam. Die Kostentragung für diese Anordnung ergibt sich aus § 5 b Abs 1 StVG.

Der zuständige Straßenbaulastträger hat die angeordnete Maßnahme auszuführen.

Erbärmlich. Aber nun gut; das kommt uns doch alles irgendwie bekannt vor? Ja, genau. Diese „Anordnung“ enthält weitestgehend das, was mir Bürgermeister Maas in seiner Antwort aufgrund meiner Anfrage vor dem Stadtrat mitgeteilt hatte; insbesondere den Unfug mit dem komplett wegzubaggernden freilaufenden Rechtsabbieger. Der eigentliche Auslöser dieses Blödsinns war also die ominöse Verkehrsschau 2024, bei der man mich zum wiederholten Male ausdrücklich nicht mit dabei haben wollte.

Das eigentlich Interessante an dieser Anordnung ist einmal mehr, was sie nicht enthält. Nämlich eine rechtlich tragfähige Begründung. Wenn man sich schon im einleitenden Teil ganz allgemein auf § 45 StVO beruft, würde ich auch erwarten, dass man auch sauber die Rechtsgrundlage dafür benennt, nach welcher man diese Zusatzzeichen überhaupt anordnet?

Was ist bspw. die „besondere örtliche Gefahrenlage“ im Sinne des § 45 (9) S. 3 StVO? Warum wird die Stadt Pirmasens hier überhaupt tätig? Also außer dieser merkwürdigen Verkehrsschau? Was stellte man dort fest? Kam es dort aufgrund der „gespaltenen Vorfahrtregelung“ (VG Hannover) zu Unfällen oder zur vermehrten Gefährdung von Radfahrern? Man weiß es nicht.

Zu den Aus- und Nebenwirkungen dieser Beschilderung, über die sich die anordnende Person nachweislich keinerlei Gedanken gemacht hat, habe ich mich bereits im vorherigen Beitrag ausführlich geäußert und sehe hier auch keine Gründe, mich im Rahmen dieses Beitrags noch einmal zu wiederholen. Kommen wir daher zu dem, was mich an dieser Anordnung ebenfalls stutzig machte. Nämlich den Adressaten.

Adressat ist nämlich nicht der LBM Rheinland-Pfalz als Baulastträger der L 600, sondern das Dezernat III/66.2 der Stadt Pirmasens. Auf eine bezeichnende Weise lustig daran ist auch, dass es jene Abteilung bei der Stadt Pirmasens gar nicht gibt. Die Abteilung „Straßenbau und Verkehrswesen“ hat nämlich das Kürzel II/66.2.

Nun müssen wir uns erst einmal vergegenwärtigen, was die offizielle Ansicht der Stadt Pirmasens ist. Sie hält den „Geh- und Radweg“ an der Einmündung der L 600 für nicht straßenbegleitend. Er gehört also ihrer Ansicht nach nicht zur K 6. An der eine Benutzungspflicht suggerierenden Beschilderung mit Zeichen 240 Gemeinsamer Geh- und Radweg hält sie allerdings unbeirrt fest. Nun stellt sich für mich eben die Frage, warum sie überhaupt mittels Anordnung den Baulastträger der K 6 (also die Stadt Pirmasens selbst) auffordert, unter den kleinen Zeichen 205 am freilaufenden Rechtsabbieger zur L 600 „Radfahrer absteigen“ anzubringen, wenn der „Geh- und Radweg“ gar nicht zur K 6 gehört?

Nehmen wir mal an, es wäre zulässig, hier die straßenrechtliche von der straßenverkehrsrechtlichen Zugehörigkeit zu trennen: Warum hat man hier überhaupt die Stadt Pirmasens adressiert? Schließlich stehen die Verkehrszeichen doch eindeutig innerhalb des großen Einmündungsbereichs der L 600 (für den das Land Rheinland-Pfalz zuständig ist). Warum hängt die Stadt Pirmasens Verkehrszeichen auf, die eigentlich das Land anbringen und bezahlen müsste?

Diese und einige weitere damit verknüpfte Fragen hatte ich zuerst an einen mir aufgrund früherer Anfragen bekannten Mitarbeiter des Tiefbauamts (Straßenbau und Verkehrswesen) gestellt. Jener antwortete erst nach mehreren Erinnerungen und mehreren Wochen ausweichend:

Ob der Radweg die K6 begleitet oder nicht ist für die Zuständigkeit der Beschilderung nicht ausschlaggebend, da wir mit dem Land einen UA-Vertag haben. Das heißt wir führen technische Leistungen im Auftrag des Landes aus.

Die Rückfrage, was ein „UA-Vertrag“ ist, habe ich mir gespart. Ebenso die Anmerkung, dass die Anordnung dennoch ans Land hätte gehen und die Verkehrszeichen vom Land hätten bezahlt werden müssen. Ich folgte seinem Ratschlag und wendete mich an den Sachgebietsleiter der Abteilung Bauverwaltung und Umweltrecht. Von diesem erhielt ich innerhalb von nur zwei Tagen die bereits erwähnte, ungewohnt sachliche und detaillierte Antwort.

Ansicht der Bauverwaltung

wir haben von Kollege G. von der Abteilung Straßenbau und Verkehrswesen beim Tiefbauamt (Geschäftszeichen: II/66.2, früher III/66.2) Ihre Anfrage bezüglich eines etwaigen Widmungsvorgangs zum eigenständigen Radweg parallel zur K 6 erhalten.

Hierzu unsere rechtliche Einschätzung:

  • Der angefragte Radweg mit (eigenständigem Straßenkörper) war vor Inkrafttreten des LStrG (1963) noch nicht vorhanden.
  • Folglich hätte es zur Erlangung der Eigenschaft einer öffentlichen Straße in der Gestalt eines eigenständigen Radweges mit einem Straßenkörper i.S.v. 1 Abs. 3 Ziffer 2 LStrG eines Widmungsaktes bedurft.
  • Nachdem der Radweg auf städtischem Grund- und Boden liegt, dieser nach Aktenlage parallel zur K 6 verläuft, läge die Zuständigkeit für eine etwaige Widmung beim Straßenbaulastträger Stadt PS.
  • Eine Widmung, z.B. im Zuge des Baus der L 600 (etwaige Kompensation?), ist uns nicht bekannt, würde aber auch nicht zu den vorliegenden Eigentumsverhältnissen passen.
  • Ob sich hier ggf. beim Bau der L 600 eine Kompensation für öffentliche Wege im Rahmen der früheren Flurbereinigung ergeben haben könnte, entzieht sich unserer Kenntnis.
  • Wir gehen daher davon aus, dass es sich beim angefragten Weg folglich wohl nur um einen schlichten Wirtschaftswege i.S.v. § 1 Abs. 5 LStrG und damit ausdrücklich gerade nicht um einen eigenständigen Radweg i.S.v. § 1 Abs. 3 Ziffer 2 LStrG und damit auch nicht um eine öffentliche Straßen i.S.d. LStrG handelt.

Luftbild Stand 2022 zum Radweg, K 6 und Zubringer L 600:

Für etwaige Rückfragen zu unserer rechtlichen Einschätzung zum Radweg stehen wir Ihnen im Rahmen unseres Aufgabengebietes gerne zur Verfügung.

Damit kann man ja tatsächlich mal arbeiten! Da hat einer einfach mal so, wie ich es damals auch gelernt habe, relativ sauber subsumiert und seine Sichtweise dargelegt. Ein Manko jener Antwort ist allerdings, dass sie sich vorwiegend um einen (vermeintlich) „selbständigen“ Geh- und Radweg i. S. d. § 1 (3) Nr. 2 LStrG dreht. Der „Geh- und Radweg“ an der K 6 müsste allerdings eben auch ausdrücklich ein zur K 6 gehörender Straßenteil i. S. d. § 1 (3) Nr. 1 sein. „Selbständige Geh- und Radwege“ sind darüber hinaus auch nicht im § 1, sondern im § 3 Nr. 3 geregelt.

Letzten Endes ist diese Unterscheidung aber im Ergebnis unerheblich. Denn die rechtliche Einschätzung des Sachgebietsleiters beinhaltet eine erhebliche Sprengkraft, denn offenkundig wurde der vermeintliche „Geh- und Radweg“ (vor allem auf dem Abschnitt „Am Gottelsberg“ bis zur L 600) nie als solcher gewidmet und ist bis zum heutigen Tage gar keine öffentliche Straße! Dies belegt auch das Luftbild, welches sich im Detail hier genauer angesehen werden kann.

So hat der erwähnte östlichste Abschnitt des vermeintlichen „Geh- und Radwegs“ sogar eine eigene Flurstück-Nummer (3720/9), die von jener der K 6 (3836/17) abweicht. Dies gilt auch für den regelrecht zerklüfteten Teil zwischen der Einmündung zur L 600 und Winzeln. Hier liegt der Geh- und Radweg nur teilweise innerhalb des Flurstücks der K 6. Jenseits der Brücke hat er bis zur neu gestalteten Einmündung zum neuen Wakol-Parkplatz ebenfalls eine eigene Flurstück-Nummer (844/16).

Das muss man sich wirklich mal vergegenwärtigen: Die Stadt Pirmasens zwingt seit rund 20 Jahren Radfahrer mittels willkürlicher blauer Schilder auf einen „Geh- und Radweg“, der weder zur K 6 gehört, noch jemals überhaupt als Teil einer öffentlichen Straße gewidmet wurde! Unfassbar; vor allem auch im Hinblick auf die unzähligen anderen, von mir seit Jahren dokumentiert werdenden Rechtsverstöße.

Nun hatte ich jedenfalls einige Rückfragen zu dieser Auskunft. Meine Vermutung, warum ich bis zum heutigen Tage keine mehr erhielt: Der sachliche und (zu sehr) auskunftsfreudige Sachgebietsleiter erhielt aufgrund seiner erfrischend ehrlichen Antwort an mich einen bösen Anruf aus dem Rathaus. Und bekam einen Maulkorb verpasst.

Anders ist es auch nicht zu erklären, dass die Stadt Pirmasens im Rahmen einer Eingabe bei der Bürgerbeauftragten allen Ernstes die Dreistigkeit besaß, zu behaupten, sie hätte meine Anfrage hinreichend beantwortet und weitere Rückfragen gar nicht erhalten.

Jene im Folgenden dokumentierten (und ja auch ausdrücklich erbetenen) Rückfragen gingen am 28. Februar allerdings nicht nur an den netten SGL, sondern auch in Kopie an den erwähnten Mitarbeiter des Tiefbauamts, die Leiterin der Straßenverkehrsbehörde und den Radverkehrsbeauftragten.

Vielen Dank für die ausführliche Auskunft.

Der „Geh- und Radweg“ an der K 6 ist nach Ansicht der Stadt Pirmasens also auch kein unselbständiger, zur K 6 gehörender „Geh- und Radweg“ i. S. d. § 1 (3) Nr. 1 LStrG?

Derartige Widmungen werden ja in aller Regel in den Regelungsverzeichnissen zu den Planfeststellungsbeschlüssen verfügt. Liegt der Stadt Pirmasens jener Beschluss zum Umbau der K 6 im Zuge des Baus der L 600 vor und was wurde darin bzgl. dieses Weges geregelt?

Gehe ich Recht in der Annahme, dass auch der westliche Abschnitt des „Geh- und Radwegs“ zwischen der Einmündung L 600 und dem Ortseingang Winzeln nie als entsprechender Straßenteil der K 6 gewidmet wurde?

Falls Ja, Frage an Frau S.: Warum hat die Straßenverkehrsbehörde diesen ungewidmeten, offenkundig gar nicht explizit für Radverkehr vorgesehenen Straßenteil zwischen Pirmasens und Winzeln als benutzungspflichtigen „Geh- und Radweg“ ausgewiesen?

Auf die neuerliche Verhöhnung über die Bürgerbeauftragte fiel mir nichts anderes mehr ein, als jener noch einmal deutlich meine Meinung über eine derart unverschämte Verwaltung mitzuteilen und auf eine erneute Vermittlung zu verzichten.

Ein Versuch meinerseits, mir zwischenzeitlich vom LBM den Planfeststellungsbeschluss bzw. die betreffenden Teile hieraus übermitteln zu lassen, war jedenfalls nicht sonderlich erfolgreich. In dem, was man mir übermittelte, konnte ich jedenfalls auch keine expliziten Aussagen zur Widmung des „Geh- und Radwegs“ finden. Es wäre allerdings auch ein weiterer Beleg für die allgemeine Inkompetenz und Faulheit der Pirmasenser Verwaltung, sogar die Regelungen aus einem Planfeststellungsbeschluss nicht beachtet zu haben.

Aber letztlich habe ich es ja amtlich: Der „Geh- und Radweg“ an der K 6 ist gar keiner. Er ist (wie auch die Piste bei Wengelsbach) überwiegend eine ungewidmete Verkehrsfläche. Auf die man meint, Radfahrer mit blauen Schildern zwingen zu dürfen und ihnen dort nicht nur die Vorfahrt zu nehmen, sondern sie auch noch zu Fußgängern zu degradieren. Der Hass dieser Stadtverwaltung auf Radfahrer ist schier grenzenlos.


Siehe auch

Wirtschaftsweg-Benutzungspflicht?

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