100 km/h im Wilgartswiesener Neufeld

Eigentlich sollte dieser Beitrag auch eine größere Bedeutung in Sachen Radverkehr haben. Am 10. Januar 2020 schrieb ich im Rahmen eines Beitrags zur allgemeinen Ignoranz des LBM gegenüber geltendem Recht auch über die weiterhin fehlende Verbindung in Gestalt eines selbständigen „Geh- und Radwegs“ im Zuge der B 10 zwischen Hauenstein und Wilgartswiesen. Hätte man diese sinnvolle Verbindung zwischenzeitlich realisiert, wäre es mit Sicherheit auch wesentlich mehr Radfahrern aufgefallen, dass die Zufahrtstraße zum auf Wilgartswiesener Gemarkung gelegenen Interkommunalen Gewerbegebiet Neufeld niemals eine Geschwindigkeitsbegrenzung erhalten hat – und dort folglich mit 100 km/h gerast werden darf.

Als ich am 22. Mai mit dem Rennrad eine Runde über Rodalben, Leimen und den Hermersbergerhof fuhr, blieb mir wegen der Sperrung der B 10 für den Radverkehr (für die es bis zum heutigen Tage keine amtliche Umleitung gibt) mal wieder nix anderes übrig, als die K 56 bis runter nach Wilgartswiesen zu fahren und von dort aus die nervige Route über die K 38 in Richtung Hauenstein zu nehmen. Die leider auch wesentlich später entbläut wurde, als es es nötig gewesen wäre. Was allerdings auch ganz gut zum Thema dieses Beitrags passt.

Denn es regt mich auf. Dass zahlreiche Straßenverkehrsbehörden und Baulastträger meinen, sie hätten hinsichtlich der Anordnung und Anbringung bzw. Entfernung von Verkehrszeichen unendlich viel Zeit. Sie verkennen dabei regelmäßig, dass das Straßenverkehrsrecht ein Zweig des Gefahrenabwehrrechts – und somit des Polizeirechts ist.

Das wichtigstes Ziel des Straßenverkehrsrechts ist es, Gefahren von Verkehrsteil­nehmenden abzuwenden. Die Erhöhung der Verkehrssicherheit steht an erster Stelle.

So beschreibt z. B. die Bezirksregierung Köln ihren Aufgabenbereich. Bei der ein oder anderen Akteneinsicht, welche man mir im Laufe der Jahre gewähren musste, konnte ich u. a. feststellen, dass eine Allgemeinverfügung zur Aufstellung von Verkehrszeichen hin und wieder auch als „verkehrspolizeiliche Anordnung“ bezeichnet wurde.

Wenn also die zuständigen Straßenverkehrsbehörden irgendwo eine „Gefahr“ feststellen, müssen sie eigentlich dafür sorgen, dass jene auch möglichst bald beseitigt wird. Und zwar, indem die angeordneten Verkehrszeichen zeitnah vom hierzu Verpflichteten beschafft und aufgestellt werden. Die zeitliche Komponente spielte übrigens auch eine nicht unerhebliche Rolle im Rahmen meiner Verpflichtungsklage zur Öffnung der ersten Pirmasenser Einbahnstraße für den Radverkehr.

Gut, an der B 10 selbst hatte das nur ein paar Meter von der neuen Zufahrt zum Gewerbegebiet entfernt mit der Aufstellung (vermeintlich) überlebensnotwendiger Verkehrszeichen ja auch nicht so wirklich geklappt, denn bis 2019 konnte man von dort aus noch legal mit dem Rad auf die B 10 in Richtung Pirmasens auffahren, da man an dieser Stelle über viele Jahre die Anordnung und Aufstellung eines Verbot für Radverkehr „vergessen“ hatte.

Damals befand sich das gegenüber gelegene Gewerbegebiet im Neufeld noch im Bau. Das Beitragsbild entstand im Juni 2020, als ich während einer MTB-Tour rauf auf den Neding (einen Aussichtsfelsen oberhalb von Hauenstein) fuhr. In diesem Jahr wurde auch die auf dem Foto zu sehende Zufahrtstraße für den Verkehr freigegeben. Problem hierbei: Das Gewerbegebiet liegt jenseits der Hauensteiner Ortstafel und somit grundsätzlich außerhalb einer geschlossenen Ortschaft. Folglich gilt dort nur die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h.

Für Radfahrer hat diese Gemeindestraße mangels des fehlenden (offiziellen) Anschlusses in Richtung Wilgartswiesen noch keine überragende Bedeutung. Aber auch ich benutze hin und wieder auf längeren Touren mit dem MTB den direkten Waldweg zw. der K 56 und dem Haltepunkt Hauenstein Mitte. Oder ich fahre mit dem Rennrad, wenn ich von der K 38 (Wilgartswiesen) her komme, am „Backöfel“ (dem Pass zw. Mischberg und Neding) vorbei über die Falkenburgstraße zum Haltepunkt und dann weiter in Richtung der „Alten Bundesstraße“. Der Radverkehr darf den beidseitig mit Pollern geschützten Verbindungsweg zwischen dem Haltepunkt und dem Gewerbegebiet auch ganz legal benutzen.

Dennoch fehlt in dieser Straße seit jeher eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung. Das fiel mir natürlich nicht erst im März diesen Jahres auf, als ich die zuständige Straßenverkehrsbehörde der VG Hauenstein darauf hinwies. Ich melde nämlich manche Sachverhalte ganz bewusst nicht, um zu sehen, ob die zuständigen Stellen irgendwann selbst darauf kommen, dass da irgendwas nicht stimmt. Oder ob sonst irgendwer darauf hinweist.

Allerdings waren auch in diesem Fall derartige Hoffnungen völlig unbegründet. Weshalb ich am 7. März 2025 in Form einer (leicht ironisch formulierten) Frage darauf hinwies, ob das denn so beabsichtigt wäre, dass man mit 100 km/h durch das neue Gewerbegebiet rasen dürfe? Erst am 24. März erfolgte die im Folgenden dokumentierte Antwort der VG Hauenstein.

Der zuständige Straßenbaulastträger wurde bereits angewiesen, die erforderliche Beschilderung gemäß den geltenden Vorschriften und der verkehrsrechtlichen Anordnung vorzunehmen. Die Umsetzung erfolgt unter Beachtung der verkehrsrechtlichen Bestimmungen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen und sicheren Verkehrsführung.

Okay. Scheint so, als hätte ich da jemanden aus dem Tiefschlaf geweckt. Also war ich gespannt darauf, wie es bei meiner nächsten Vorbeifahrt dort wohl aussehen würde. Tja, wie wohl?

Nichts. Man darf dort weiterhin mit 100 km/h rasen. Also hatte ich noch am selben Tag eine weitere e-mail an die zuständige Sachbearbeiterin hingeschickt. Und am Folgetag die folgende Antwort erhalten.

Wie bereits mitgeteilt, wurde die entsprechende Anordnung bereits erlassen wurde. Die Aufstellung der Beschilderung, erfolgt durch die Mitarbeiter der Ortsgemeinde Wilgartswiesen im Rahmen ihrer regulären Aufgaben.

Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Durchführung abhängig von der aktuellen Arbeitsauslastung ist. Selbstverständlich wird die Maßnahme so bald wie möglich umgesetzt, sobald es die personellen Kapazitäten zulassen.

So sieht also die zuständige Straßenverkehrsbehörde die Prioritäten in Sachen „Gefahrenabwehr“. Von ihr angeordnete Verkehrsregelungen sind also letzten Endes von der „Arbeitsauslastung“ und den „personellen Kapazitäten“ des Baulastträgers (hier der Ortsgemeinde Wilgartswiesen) abhängig. Es wäre ja auch definitiv unzumutbar, von einer Ortsgemeinde bis zur Installation der dauerhaften Verkehrszeichen eine Aufstellung eines temporären Verkehrszeichenpfostens mit einem Zeichen 274-50 StVO 50 km/h zu verlangen.

Auch diese unbedeutend wirkende Anekdote macht mich zornig. Angesichts dessen, dass hier erneut mehrere Menschen ihren Lebensunterhalt damit bestreiten, ihre Aufgaben und Pflichten zu vernachlässigen. Und nicht einmal nach konkreten Hinweisen von letzten Endes deren Arbeit erledigenden Bürgern in die Puschen kommen.

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