Wie man ungestraft erziehend engüberholt

Ich erwarte ja generell nichts mehr vom deutschen „Rechtsstaat“. Vor allem auch nicht hinsichtlich der Eindämmung der grenzenlosen Anarchie, die sich tagtäglich während meiner Touren um mich herum abspielt. Als ein auf dem Rad sitzender Verkehrsteilnehmer bist du praktisch vogelfrei. Begünstigt wird dieser eigentlich unhaltbare Zustand nicht nur durch das faktisch vollständige Fehlen von Kontrollen, sondern auch der nicht stattfindenden Ahndung von Verstößen gegen grundlegende Regelungen der StVO oder des StGB. Selbst nachweislich vorsätzliches, boshaftes, erziehendes, nötigendes und gefährdendes Fehlverhalten von Autofahrern führt zu keinerlei strafrechtlichen Konsequenzen.

Am 21. Juni drehte ich eine (leider immer seltenere) Rennradtour mit dem Klagesponsor an den Schöntalweiher; u. a. über den legendären Col du Goetzenberg. Hierbei hatten wir bei Fischbach ein besonderes Erlebnis mit einer Französin, die uns ohne jede Not mit ca. 30 cm Abstand überholte. Ich sprach sie an der Tankstelle in Fischbach darauf an und stellte Strafanzeige. Hierzu werde ich nach Abschluss des Verfahrens noch einen eigenen Beitrag verfassen. Es wird allerdings auch nicht anders ausgehen als jenes, über welches ich im Folgenden berichten werde.

Nach der Verabschiedung auf der Ruhbank fuhr ich den restlichen Heimweg allein durch die Stadt. Die Lemberger Straße runter benutzte ich die Fahrbahn. Der dort aufgemalte, überwiegend mit einer durchgezogenen Linie markierte Streifen am rechten Fahrbahnrand ist in meinen Augen kein „Radweg“. Die Tatsache, dass er aufgrund zahlreicher Asphaltflicken nur noch teilweise vorhanden ist, bestärkt mich in meiner Sichtweise. Er ist ausdrücklich kein „Schutzstreifen“ und auch kein mit Zeichen 237 versehener „Radfahrstreifen“. Ich muss ihn also generell nicht benutzen. Leider sehen das nicht wenige Autofahrer grundsätzlich anders.

Wie z. B. auch der Fahrer eines Fiat Gucci, der mich in der mit ca. 5 bis 6 % abschüssigen Straße mit einem geringen Geschwindigkeitsüberschuss (ich fuhr in diesem Moment mit ca. 45 km/h) und einem Abstand von ca. 30 cm überholte. Während des viel zu engen Überholens bemerkte ich mittels eines Blicks durch die Heckscheibe, dass der Fahrer seinen rechten Arm ausstrecke, um mich – eindeutiger ist es kaum mehr möglich – mittels des Engüberholens (faktisch auch eine mich einschüchtern sollende Androhung physischer Gewalt) dazu zu nötigen, den „Radweg“ zu benutzen.

Leider sitzt die Kamera sehr tief auf meinem Rennradlenker, weshalb man den ausgestreckten Arm durch die Heckscheibe nicht erkennt. Mir fiel erst bei einer genaueren Sichtung des Materials auf, dass man seine ausgestreckte rechte Hand allerdings auch im Seitenfenster sieht. So entschied ich mich einige Tage später, diese vorsätzliche Nötigung und Straßenverkehrsgefährdung bei der StA Zweibrücken und der PI Pirmasens anzuzeigen.

Ein weiteres belastendes Indiz, dass es sich hierbei um eine vorsätzliche Nötigung handelte, lieferte mir nach dem eigentlichen Überholvorgang noch die Beifahrerin des Mannes, welche mir aus dem inzwischen geöffneten Seitenfenster noch etwas hinterherschrie. Es fiel u. a. auch das Wort „Raaadwäääg“. Ich gab dies auch in meiner Strafanzeige an, welcher ich drei Einzelbilder als Beweismittel beifügte.

Die Polizeiinspektion Pirmasens bat mich am 18. Juli um die Übermittlung der Videodatei und bestätigte am 24. Juli deren Eingang. Erst am 1. Oktober erhielt ich die Einstellungsverfügung durch die StA Zweibrücken, welche bereits am 28. August getroffen wurde. Keine Ahnung, warum auch dieses Schreiben über einen Monat von Zweibrücken nach Pirmasens benötigt hat?

Das Verfahren wurde nach § 170 (2) StPO eingestellt, weil ein Täter nicht ermittelt werden konnte. Darüber hinaus, so die Staatsanwältin, dürften weder die Straftatbestände der (versuchten) Nötigung, der Bedrohung noch der Gefährdung des Straßenverkehrs vorliegen. Die Halterin des Pkw wurde von der Polizei aufgesucht, konnte sich allerdings an nichts erinnern. Auch meine (sehr vage) Beschreibung des Mannes (kräftig, wenig Haare) habe nicht mit der des Ehemanns übereingestimmt.

Ich hatte daneben nicht nur einen Verstoß gegen den Mindestabstand (laufende Nummer 23 der Anlage zur BKatV), sondern auch wegen des Überholens mit einem zu geringen Geschwindigkeitsüberschuss (lfd. Nr. 18) beanzeigt. Da ich selbst mit ca. 45 km/h unterwegs war, war das Überholen auch aus diesem Grund untersagt. Da auch hinsichtlich der infrage kommenden Ordnungswidrigkeiten kein Täter ermittelt werden konnte, ging auch der 80 Euro teure Bußgeldtatbestand (der dem Fahrer auch einen Punkt in Flensburg eingebracht hätte) unter.

Schlussfolgerung: Man muss sich in Deutschland, wenn man nicht wegen einer Straftat im Straßenverkehr zur Verantwortung gezogen werden möchte, einfach nur nicht daran erinnern. Ich hatte auch aus diesem Grund versucht, den Pkw einzuholen, um ggf. auch den Fahrer zu Gesicht bzw. auf die Kamera zu bekommen, verlor ihn aber in der Simter Straße aus den Augen.

Wäre ein derartiges Verhalten, welches ich auf diesem Abschnitt der Lemberger Straße immer wieder erlebe, in diesem Falle endlich mal strafrechtlich gewürdigt worden, hätte die Radfahrer hassende Stadt Pirmasens vielleicht auch endlich mal einen triftigen Grund gehabt, die Überreste dieses beschissenen Streifens zu entfernen – und das erste Zeichen 277.1 in dieser Stadt anzuordnen. So bleibt auch von deren Seite weiterhin alles beim Alten. Was auch der folgende Clip belegt, den ich am 30. Juni aufgenommen hatte.

Absolut niemand hält dort (vor allem auch aufgrund des schmalen Streifens) beim Überholen von Radfahrern den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern ein.


Anmerkung

Dieser Beitrag wurde am 1. Oktober 2025 hinsichtlich der Verfahrensbeendigung überarbeitet. Ich war im August davon ausgegangen, dass der Einstellungsbescheid, welcher leider keinerlei Angaben bzgl. meiner Anzeige enthielt, sich auf dieses Verfahren bezog. Dem war aber nicht so, denn jene Einstellung bezog sich auf ein nötigendes Engüberholen am 24. April 2025 in der Pirmasenser Zeppelinstraße.


Siehe auch

Rein private Streitigkeiten

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