Die folgenlose Bedrohung eines Radfahrers

Wie gut, dass ich am 17. Oktober einen alten Beitrag aus Corona-Zeiten exhumiert habe. Damals hatte ich eine Passage aus einem Interview mit dem Strafrechtler Dr. David Jungbluth, der ausgiebig über die Arbeitsweise in deutschen Staatsanwaltschaften und Gerichten berichtet, transkribiert. Wenn man sich das, was Jungbluth dort erzählt, so anhört, wundert man sich auch nicht mehr, wenn man als Radfahrer eine Einstellungsverfügung nach der anderen einsammelt. Nach mehreren Nötigungen und Straßenverkehrsgefährdungen bekam ich nun auch noch eine persönliche Bestätigung dafür, dass auch eine ziemlich eindeutige verbale Bedrohung in Deutschland strafrechtlich völlig folgenlos bleibt.

Der eigentliche Auslöser war sogar relativ unbedeutend. Ich befuhr am Abend des 3. September 2025 die Gersbacher Straße in Winzeln. Mir fehlt auch die Erinnerung daran, ob ich meine Absicht, gleich links in die Breslauer Straße (in Richtung der illegalen Umleitung) abzubiegen, bereits angezeigt hatte oder nicht. Ich hielt (mit dem MTB unterwegs seiend) jedenfalls aufgrund der auf dem Hochbord parkenden Fahrzeuge wie üblich etwa einen Meter Abstand zum Fahrbahnrand und wollte mich schon zur Fahrbahnmitte hin einordnen, als ich doch noch überholt wurde. Da mein MTB-Lenker runde 67 cm breit ist, betrug der Abstand vom linken Ende des Lenkers auf dem ca. 2,70 m breiten Fahrstreifen zur Mittellinie ca. einen Meter.

Also überholte mich der Fahrer eines weißen Smart, der für seinen Überholvorgang nur teilweise den Fahrstreifen wechselte, ziemlich eindeutig nicht mit dem vorgeschriebenen Abstand von 1,50 Metern. Es dürften ca. 70 bis 80 cm gewesen sein. Gut, das war jetzt sicherlich nicht dramatisch; dennoch empörte ich mich minimal, indem ich den linken Arm ausstreckte. Auch, weil er mich unbedingt noch vor der Einmündung überholen musste. Allerdings wollte ich ja ebenfalls links abbiegen und zeigte somit nebenbei meine Absicht an, links abzubiegen.

Dieses Ausstrecken des linken Armes muss der mich im Rückspiegel beobachtet habende Smart-Fahrer allerdings wohl als „Provokation“ aufgefasst haben. Denn obwohl frei war, bremste er vor dem Abbiegevorgang kurz ab – und mich somit auch leicht aus. Trotz allem hätte ich den Clip, aufgrund seiner Mittelmäßigkeit, noch nicht einmal bei X gepostet. Und auch hier im Blog hätte ich nichts zu berichten gehabt, wenn sich im Anschluss nicht noch ein kleiner Disput mit jenem Smart-Fahrer ergeben hätte. Denn nachdem dieser am Straßenrand angehalten hatte, kam es zum folgenden Dialog:


War das jetzt nötig?

Was ist denn dein Problem?

War das jetzt nötig?

Das war immer nötig!

Ja?

Wenn wir gefilmt werden, reiß ich dir das Ding [er zeigte auf meine Kamera] ab.

Ja?

Was ist dein Problem?

Wie? Was ist mein Problem?

Was ist dein Problem?

Der vorgeschriebene Abstand beim Überholen von Radfahrern.

Und?

Waren das 1,50 Meter eben?

Das waren 1,50 Meter.

Gut, ich hab es ja auf Video.

Ich fuhr nun los.

Wenn etwas kommt, dann hol ich dich!

Ich hielt gleich wieder an.

War das eine Drohung eben? War das eine Drohung?

Er fuhr mir ein Stück hinterher und hielt wieder neben mir an.

Das war eine Drohung, glaub mir das!

Ich drehte den Lenker mit der Kamera in seine Richtung, um sein Gesicht auf der Aufnahme zu haben.

Dann sag es nochmal laut, dann kann ich dich gleich anzeigen.


Ich fuhr wieder los, da es mir allmählich, auch aufgrund weiterer unverständlicher, aber bedrohlicher Äußerungen, unheimlich wurde. Als er ausstieg, lief gerade eine Passantin an uns vorbei. Er teilte mir noch mit, dass er in dem Haus da wohnen würde. Was wohl bedeuten sollte, dass ich in Zukunft aufpassen soll, wenn ich dort vorbeifahre. Ich riet ihm beim endgültigen Wegfahren, noch schnell aufzuräumen, weil er garantiert bald Besuch von der Polizei bekäme.

Wie kann man bitteschön eine derartige Petitesse so dermaßen eskalieren? Wie gesagt: Den Clip vom Überholvorgang hätte ich wohl noch nicht einmal bei X gepostet; geschweige denn, dass ich das angezeigt hätte. Aber er muss mich, weil er offenkundig eine lächerliche 30-Euro-Ordnungswidrigkeiten-Anzeige befürchtete, dann allen Ernstes bedrohen, indem er mir eine Sachbeschädigung und eine Nachstellung bzw. indirekt auch körperliche Gewalt androht?

Immerhin sah die zuständige Staatsanwaltschaft Zweibrücken offenkundig, auch ohne meine persönliche Zeugenaussage bei der Polizei und ohne Sichtung des Videomaterials, grundsätzlich die Tatbestandsmerkmale des § 241 StGB verwirklicht. Aber:

Von der Erhebung der öffentlichen Klage wird bezüglich X abgesehen.

Man verweist mich anschließend erneut auf den „Privatklageweg“. Auch diese Amtsanwältin muss offenkundig ihre „pönale Quote“ also nicht mit derart unbedeutenden Straftaten aufbessern.

Der einzige Lerneffekt, den der Smart-Fahrer, der mir erst am Sonntag in derselben Straße begegnete, daraus gezogen haben dürfte, ist, dass er, wenn er sich zukünftig erneut derart aggressiv gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern äußert, zumindest Besuch von der Polizei bekommt oder als Beschuldigter dort antanzen muss.

Ich werde jedenfalls zukünftig nichts mehr anzeigen. Denn bevor deutsche Staatsanwälte überhaupt etwas zu tun gedenken, muss erst (mein) Blut fließen. Stattdessen werde ich nun die gröbsten „Highlights“ vermehrt in meinem Blog dokumentieren. Am 18. Oktober überholte mich bspw. ein Autofahrer auf der K 6 zwischen Gersbach und Winzeln absichtlich zu eng und schneidend. Als ich ihn in Winzeln vor der Sparkasse darauf ansprach, gab er relativ unumwunden zu, dass er mich damit auf den (nicht benutzungspflichtigen) „Radweg“ nötigen wollte.

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